Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen

Ding:  K35, die Hauptverkehrsader-Rampe - Ing: Paule Tatmi, die Komplexitätsmanagerin

Ding: K35, die Hauptverkehrsader-Rampe - Ing: Paule Tatmi, die Komplexitätsmanagerin

Paule Raissa Njiteu Tatmi, kurz Paule Tatmi, hat, obwohl noch sehr jung, schon einiges an abenteuerlichen Entwicklungen hinter sich. Von Kamerun nach Deutschland (seit 10 Jahren lebt sie hier). Von der Architektur (wollte sie ursprünglich studieren) zum Bauingenieurwesen (hat sich von leidenschaftlichen Bauingenieur-Dozent:innen anstecken lassen). Von der BIM-Managerin (erster Job nach dem Studium) zur Ingenieurin in der Bauüberwachung (nur am Computer sitzen, das ist nix für sie).

Jetzt ist sie erst einmal angekommen, lebt gut und zufrieden in Köln-Mauenheim, 15 Minuten von ihrem Projekt entfernt.

15 Minuten, wenn es gerade mal keinen Stau gibt.

Paule Tatmi gehört seit 3 Jahren zum Team der „externen Bauüberwachung der Rheinbrücke Leverkusen“. Oder anders gesagt: Als „Bauleiterin der Auftraggeberseite“ ist sie die Supercheckerin in einer super komplexen Baumaßnahme.


Volles Programm

Schauen wir auf das große Ganze: Die Rheinbrücke Leverkusen ist Teil des Projektes „8-streifiger Ausbau der A1“. Neben dem Ersatzneubau der Rheinbrücke werden diverse weitere Brücken und Bauwerke erneuert, u.a. die Rampe K35, die am Autobahnkreuz Leverkusen-West die Verteilerfahrbahn der A1 mit der Autobahn A59 in Richtung Leverkusen verbindet.

Zu Paule Tatmis täglichen Aufgaben zählen die großen Überblick- und Überwachungsaufgaben: Sie muss u.a. die Qualität des Baufortschritts dokumentieren und sichern: mit Tagesberichten und Fotos; für die Sicherheit auf der Baustelle sorgen: Werden alle Sicherheitsvorschriften beachtet?; die Bewehrung und die Betonagen kontrollieren: Stimmt die Qualität des Betons? Hat „der Bau“ so genau gearbeitet, wie es der Plan vorsieht.

Aber auch teilweise sehr detaillierte bürokratische Abläufe gehören zu ihrem Tageswerk: Abrechnungsunterlagen prüfen. Abschlagsrechnungen und Schlussrechnungen kontrollieren. Behinderungs- und Mehrkostenanzeigen bearbeiten. Nachträge prüfen.

Es geht also viel ums Checken, Prüfen, Kontrollieren, immer wieder auch ums Aufzeigen von Mängeln, Unzulässigkeiten, Gefahrenaspekten. Dafür sei sie manchmal nicht wirklich beliebt auf der Baustelle, aber so sei es nun mal, schmunzelt sie: „Es gibt die, die planen; die, die ausführen; und die, die kontrollieren. Also mich.“

Was sie besonders gern an ihrem immer vollen Programm mag: dass sie in intensivem Kontakt zu diversen Fachbereichen des Bauherren ist, sich mit ihnen abstimmen und manchmal auch auseinandersetzen muss: mit Kolleg:innen der Fachbauüberwachung, der Fertigung, des Verkehrs, des Nachtragsmanagements, der Rechnungsstelle, der Bauoberleitung…


Eine Rampe, viele Probleme

„Das hier ist etwas anderes als eine Brücke, die auf der grünen Wiese steht“, macht Paule Tatmi klar und verweist beispielhaft auf das Problem „Sperrung einer angrenzenden Rampe“. „Hier kann man nie so bauen, wie man will. Man kann ja nicht einfach mal eben so eine Autobahn sperren.“ Dazu zitiert sie lächelnd aus einem baubürokratischen Standardwerk: „Die Aufrechterhaltung des Verkehrs muss gewährleistet werden.“ Dann führt sie in eigenen Worten weiter aus: „Wenn zum Beispiel Stahlteile über einen Verkehrsbereich gehoben werden müssen, darf da natürlich kein Auto durchfahren,– dafür braucht es dann eine genehmigte Sperrung und die Umleitung des Verkehrs. Wenn die Teile aber nur kurz über den Verkehr geschwenkt werden müssen, reicht es, wenn die Autobahnpolizei den Verkehr nur kurz anhält.“ Man ahnt es, auch das gehört zu Paule Tatmis Aufgaben: bei solchen Aktionen die Kolleg:innen von der Verkehrsabteilung unterstützen.

Als wäre der reine Brückenbau nicht schon anspruchsvoll genug, gibt es auch noch eine Altablagerungs-Deponie, die praktisch direkt zur Rampen-Baustelle gehört. Da lagern unterschiedlichste Abfälle, von unbelastetem Bodenaushub über Klärschlamm bis hin zu Produktionsabfällen aus der chemischen Industrie. Ab Mitte der 1990er-Jahre wurde die Deponie nach abfallrechtlichen Vorgaben abgedichtet.

Nun ist es so, dass nicht nur ein kleines Baustück von dieser Deponie betroffen ist, sondern die gesamte Brückenbaustelle. Das heißt für Paule Tatmi und alle Rampen-Beteiligten: Wegen des Gesundheitsrisikos der Altablagerung können alle Arbeiten, bei denen die Abdichtung der Deponie zerstört wird, z. B. einfache Tiefbohrungen oder die Herstellung von Spundwänden, nicht ohne weiteres ausgeführt werden. Es braucht dafür spezielle Genehmigungen und Schutzmaßnahmen, denn es könnte ja Toxisches entweichen und an der Kleidung hängen bleiben. Ein weiterer wichtiger Aspekt, um den sich Paule Tatmi kümmern muss. „Bei Arbeiten in so einem sogenannten Schwarz-Bereich mussten alle Mitarbeitenden, auch wir als Bauüberwachung, Schutzanzüge und ggf. Atemschutzmasken tragen – das war schon etwas spooky“, erinnert sich die Komplexitätsmanagerin.


Die Komplexität hört einfach nicht auf

Wo immer man auch hinschaut bei diesem Brückenrampensuperprojekt, stößt man auf komplizierte Bedingungen, erstaunliche Hindernisse, große und kleine Herausforderungen. Eine komplexe Bausituation, ein komplexes Aufgabenportfolio, komplexe Fachbereichs-Kooperationen.

Paule Tatmi muss nicht nur viel wissen und sehr gut informiert sein, sondern auch immer mehr dazu lernen: über Asphaltabdichtung und Kombinationsabdichtung; über Deponie-Oberflächenwasser und Bodenluftdränage; über Stahlbaumontage und Korrosionsschutz; über Zuständigkeitsbereiche (Stadt Leverkusen, Currenta, Bayer, Autobahnpolizei, Fachbauüberwachung, Bauüberwachung, Verkehrsabteilung…) und digitales Plan- und Dokumentenmanagement (noch „work in progress“).

Ist das alles nicht manchmal etwas zu viel an Vielschichtigkeit und Verantwortung?

„Nee“, sagt Paule Tatmi, „ich liebe meine Arbeit. Ich hab Spaß an Komplexität.“

Paule Raissa Njiteu Tatmi ist Dipl.-Ing. Als wir sie getroffen haben, war sie Projektingenieurin bei der BUNG Baumanagement GmbH. Heute arbeitet sie für die STRABAG.


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